Überaktivierung des Sympathikus
Wenn wir uns wie uns unter Strom fühlen, unser Nervensystem beruhigen möchten, nicht mehr abschalten können, die Gedanken kreisen, wir uns nach dem Aufwachen wie gerädert fühlen, wenn wir wegen Kleinigkeiten aus der Haut fahren, oder nichts mehr fühlen, dann sind das Anzeichen dafür, dass unser Nervensystem angeschlagen ist. Häufig wird diese Überreaktion auch durch Schock oder eine heftige Krise ausgelöst.
Vielleicht reagieren wir auch körperlich: Migräne, Tinnitus, und Panikattacken, Übelkeit plagen uns, um nur wenige zu nennen. Das bedeutet, dass das Nervensystem überlastet ist und sich nicht mehr erholen kann. Der Wechsel zwischen Aktivität und Ruhemodus verläuft nicht mehr im optimalen Maße. Hierfür sind zwei verschiedene Nerven zuständig. Im Spinalkanal, der im inneren der Wirbelsäule verläuft, befinden sich die Spinalnerven: Sympathikus und Parasympathikus. Wenn wir nicht mehr runterfahren können, müssen wir schleunigst unser Nervensystem beruhigen.
Der Sympathikus ist dafür zuständig, dass das Überleben unserer Art gesichert ist. Es sorgt dafür, dass unser Körper bei drohender Gefahr sofort mobil gemacht wird, um möglichst schnell zu reagieren. Bei ernsthafter Gefahr ist keine Zeit, um viel zu überlegen, daher schaltet das System in den „Fight-and-Flight-Modus“, dem Notfallsystem des Körpers. Hierbei werden unsere Nervenzellen mit Adrenalin und Cortisol, den sogenannten Stresshormonen, geflutet.
Unser vorderer Gehirnlappen wird ab einer bestimmten Menge Adrenalin und Cortisol blockiert. Man kann es vergleichen mit der Sperrung der Waschmaschinenverriegelung. Wir haben nur noch Zugriff auf unsere Notfallreflexe und es bleiben wenige Möglichkeiten außer: Kämpfen, Flüchten, Erstarren. Unser Gehirn hat über Millionen von Jahren gelernt, dass die Wahrscheinlichkeit zu überleben auf diese Weise am größten ist. Es unterscheidet dabei nicht, ob es sich um eine reale Gefahr oder eine erdachte Gefahr handelt, maßgeblich ist die Menge an Stresshormonen, die freigesetzt werden.
Auch psychisch reagieren wir ab einem bestimmten Stresspegel nur noch über oder unter: Wir können uns nicht mehr konstruktiv verhalten, sind gereizt, aggressiv, oder mauern, sind nicht mehr erreichbar oder wir fühlen uns wie hilflose Opfer, vielleicht wie gelähmt. Der Körper verbraucht dabei sehr viel Energie. Das erklärt, weshalb wir uns nach einer Stressattacke vollkommen erschöpft fühlen. Das Bereitstellen von Adrenalin fühlt sich ein bisschen so an, als müssten wir Erdöl pumpen.
Stressfolgereaktionen
Ungesunder Stress wirkt sich stark auf unseren Körper aus: Er steigert unsere Herztätigkeit, unseren Blutdruck, unsere Durchblutung und unseren Tonus der Herz- und Skelettmuskulatur. Des Weiteren hemmt er unsere Darmtätigkeit, hat Einfluss auf unsere Lungenfunktion und unsere Bronchien, den Stoffwechsel, auf unsere Drüsen sowie auf unsere sexuellen Funktionen, um nur einige negativen Wirkungen auf unsere Gesundheit zu nennen.
Er begünstigt zahlreiche Symptome, wie z.B.
- chronische Verspannungen,
- Migräne,
- Tinnitus,
- Bluthochdruck,
- nächtliches Zähneknirschen,
- Ein- und Durchschlafstörungen,
- Magen-Darm-Probleme,
- Appetitsteigerung/-verlust
- Psychische Symptome (z. B. Ängste, Panikattacken, Depressionen, Gereiztheit, Gleichgültigkeit, chronische Erschöpfung, innere Unruhe, sozialer Rückzug)
- sexuelle Funktionsstörungen etc.
- gesteigerter oder verminderter sexueller Trieb
- unerklärliche Schmerzen
- und viele weitere.
Beruhigung des Nervensystems
Damit sich unser Nervensystem wieder beruhigen kann, müssen wir den Gegenspieler zum Sympathikus aktivieren, dieser nennt sich Parasympathikus. Sobald dieser aktiviert ist, sendet das Gehirn das Signal, dass unser Leben gar nicht in Gefahr ist und unser Nervensystem sofort die Cortisol- und Adrenalinausschüttung stoppen kann. Die Produktion von Cortisol und Adrenalin kostet sehr viel Energie,was erklärt, warum wir bei dieser ungesunden Art von Stress „fix und fertig“ sind.
Sobald das Signal aus unserem Gehirn Entwarnung sendet, schüttet es Serotonin und körpereigene Opioide aus, auch Glückshormone genannt. Die Welt rückt wieder auf angemessenen Abstand, wir haben das Gefühl, wieder atmen zu können und das Gefühl eines „Puffers“ zwischen uns und den Problemen des Alltags. Die Blockade im vorderen Gehirnlappen löst sich, wir können wieder klar denken.
Wie kann ich das Nervensystem schnell entlasten?
Klingt gut, und ist auch relativ einfach. Das Einzige was wir tun müssen: Regelmäßig und täglich ca. 3 x 5 Minuten für mindestens acht Wochen bestimmte Übungen durchzuführen. Viele Übungen können nur dann effektiv sein, wenn sie richtig durchgeführt werden, das heißt, dass sie mindestens einmal mit professioneller Hilfe geübt werden sollten.
Wenn du zwei Wochen lang geübt hast, haben sich die Rezeptoren der Nervenzellen darauf eingestellt, dass regelmäßig Glückshormone zugeführt werden, so dass das Stressniveau längerfristig gesenkt werden kann — vorausgesetzt, du übst weiter. Wissenschafatliche Studien haben herausgefunden, dass man das mindestens 8 Wochen lang tun sollte, damit sich ein Reflex bildet.
Bereits nach zwei Wochen ist also so viel psychischer Puffer aufgebaut, dass es möglich wird, sich vorsichtig den eigentlichen Konflikten zuzuwenden, die unbewusst den Organismus in Alarmbereitschaft versetzten. Nun beginnt erst die eigentliche Therapie. Dies geschieht in einem individuellen Tempo, und sollte auf keinen Fall überfordern. Mit zunehmenden Training wächst unser Selbstmitgefühl, das Verständnis für innere Zusammenhänge und ein ganz neues Gefühl von Selbstvertrauen. Die Welt ist wieder auf angemessenen Abstand gerückt.
Warum helfen Entspannungstechniken zum Herunterfahren?
Das Ziel der Übungen ist es, den Parasympathikus zu aktivieren und dadurch den Adrenalinspiegel des Körpers dauerhaft zu senken. Dies bedeutet nicht unbedingt Entspannung, sondern zunächst Beobachtung und Körperwahrnehmung.
Je geübter wir darin sind, uns besser zu spüren, umso achtsamer werden wir damit umgehen. Die Konzentration auf unsere Sinne bewirkt sofort die Aktivierung von Glückshormone, unsere Anspannung kann sich lösen, da wir für einen Augenblick etwas anderes tun, als zu denken. Wir wandern ganz bewusst vom Kopf in den Körper.
Bereits nach zwei Wochen ist erfahrungsgemäß ein erster Effekt spürbar wie z.B. verbesserter Schlaf und deutliche Reduzierung der Panikattacken, um nur zwei Beispiele zu nennen. Und wenn du jetzt eine Übung suchst, mit der du sofort loslegen kannst, täglich zu üben, dann empfehle ich dir den Bodyscan und die 5–4‑3–2‑1 Technik oder die 4–7‑8-Atmung. Diese Kombination ist wie dafür gemacht. Bitte lese dir unbedingt davor die Anleitung durch, damit du maximal davon profitieren kannst.
Darüber hinaus findest du auf der Seite Entspannunbungen eine große Sammlung hoch effektiver Übungen.
Wenn du das Thema vertiefen und erfahren möchtest, welche neuen neurologischen Erkenntnisse es zu diesem Thema gibt, z.B. was es benötigt, um mehr psychischen Puffer und damit eine bessere mentale Leistungsfähigkeit zu bekommen, höre dir dieses spannende Interview von Dr. Michael Nehls an. Er erklärt, wie all das mit Depressionen, Antriebslosigkeit und Angst zusammenhängt. Lass dich nicht abschrecken, Dr. Nehls spricht zwar in einem Podcast für Topmanager, es geht aber tatsächlich viel mehr um das Thema Nervensystem. Danach folgt ein zweites Interview von Dr. Nehls, dort erklärt er sehr gut die beiden Denksysteme.
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